Altenpflege – ein sozialer Beruf?
Dass ich nicht lache.
Altenpflege sollte bedeuten:
Menschlichkeit
Achtsamkeit
Empathie
Solidarität
Verständnis
Nachsicht
Und nicht:
Ausbeutung
Ignoranz
Profitgier
Rufaufbesserung um jeden Preis
Hinterlist
Bagatellisieren individueller, ernster Probleme
Ich nahm diese Ausbildung als Altenpfleger an, zunächst, weil man in diesem Berufsfeld immer eine Lehrstelle
bekommt und ebenso auch immer eine Anstellung. Das sollte etwas Positives sein. Aber wenn man
erlebt, wie es oftmals zugeht, ist es kein Wunder, woher die Vorstellung der meisten kommt: den
Job will ja keiner machen. Berufsinternen, die sich nicht hinter der Fassade von „Alles ist prima
vorn herum, aber hinten herum meckern und jammern wir nur“ verstecken, wissen, wovon ich
spreche. Es sollte zu denken geben, wenn Personen aus Führungspositionen die Flinte ins Korn
werfen, Heime verlassen oder den Job ganz aufgeben.
Ursprünglich wollte ich etwas ganz anderes machen und werden. Ich wollte zum Theater gehen,
Schauspieler werden oder Maskenbildner, etwas Kreatives machen, da ich ein kreativer Freigeist
bin. Ein künstlerischer Rebell und ein Rebell in jeder Hinsicht, der sich nicht einfach in stupide, alt
eingesessene, verstaubte Normen zwängen lässt, ohne dagegen früher oder später aufzubegehren,
weil ich mich sonst in der Leere, wie sie sich in vielen Köpfen ausgebreitet zu haben scheint,
verliere und dies im Zusammenhang mit einem langwierigen psychischen Leiden tödlich enden
könnte.
Ich habe diesen Job angenommen, anfangs, weil es keine andere Möglichkeit gab, weil die
Berufssparte, die ich ursprünglich angestrebt habe, für mich blockiert gewesen war. Etwas
missmutig stieg ich also in die Pflege ein. Nach kurzer Zeit merkte ich, dass der Beruf Freude
bereitet, weil man anderen helfen kann und erlebt, wie dankbar diese Personen dafür sind.
Diese Episode temporären Glücks und vermeintlicher Findung eines Sinns ging sehr schnell vorbei.
Routine ist gut. Beim Autofahren. Um bestimmte Handgriffe sicher zu beherrschen. Aber Routine
ist schlecht, wenn man zur Maschine mutieren soll. Wenn man, statt Menschlichkeit, nur Leistung
zu zeigen hat. Arbeiten, arbeiten, arbeiten, Zeit für Gespräche? Nein. Im schlimmsten Fall wird man
noch kritisiert, dass man sich zu viel Zeit mit einem Bewohner lässt. Einem Individuum, das auf
Hilfe angewiesen ist, das über den Tag verteilt, während wir uns körperlich und geistig kaputt
schuften, herum sitzt, stillsitzen soll und von Mahlzeit zu Mahlzeit lebt. Angebote gibt es, die einen
alten Menschen durchaus beschäftigten können. Aber auch diese sind nur begrenzt verfügbar.
Eine meiner prägendsten Erfahrungen hatte ich Anfang des dritten Lehrjahres, als eine Bewohnerin
auf mich zukam. Sie saß im Rollstuhl. Tränenüberströmt fuhr sie auf mich zu und breitete ihre Arme
aus, mit den Worten: „Ich will endlich sterben!“. Natürlich empfand ich Mitleid und nahm sie in die
Arme. Nicht einmal eine halbe Minute später rief eine Kollegin nach mir:
„Was machst du da, komm, wir haben keine Zeit dafür!“
Ich glaubte nicht recht zu hören und wurde wütend. Ist nicht DAS die Quintessenz der Altenpflege?
Soll nicht DAS das Leitbild verkörpern, wie es in jedem Heim so groß angeschrieben steht?
Menschlichkeit, Einfühlsamkeit, Trost in Situationen wie dieser? Wir haben keine Zeit für so etwas.
Nach und nach stellte sich bei mir ein altes Leiden wieder ein. Niemals losgekommen bin ich von
meinen Depressionen. Mal sind sie stärker, mal sind sie schwächer vertreten. Mal grenzen die
Gedanken an den Suizid, mal komme ich phasenweise ganz ohne Tabletten aus. Aber es ist ein
stetes Schwanken, ein Balancieren auf einem schmalen Grat. Und wenn sich ein Loch doch wieder
auftut, dann ist es schwer, wieder heraus zu klettern. Wohl dem, der eine helfende Hand dann hat
und Verständnis und Fürsorge entgegen bekommt. Das kann ich von vielleicht einer Hand voll
Personen behaupten. Der Rest gab Floskeln von sich, wie es auf Beerdigungen oft der Fall ist, wenn
fremde Menschen, die den Verstorbenen platonisch gekannt haben, aus reiner Höflichkeit ihr
Beileid aussprechen. Man sagt es, weil es sich eben so gehört, aber sich hineinversetzen und
wirklich wissen wie es ist, das tut kaum eine dieser Personen.
So erging es mir oft genug. Ich wurde zu obligatorischen Gesprächen geladen, bei denen man sich
unter gut inszeniertem, sorgenvollen Gesicht erkundigte, was denn nur mit mir los sei. In den ersten
Gesprächen noch war ich bemüht, möglichst konkret anzugeben, was denn „bloß los“ sei. Nachdem
ich wiederholt feststellte, dass es in die Köpfe mancher Personen einfach nicht gehen will, dass eine
Depression etwas Ernsthaftes ist und dass diese sich im Grunde nur für die zu erbringende Leistung
der „Maschine“ und weniger für den Menschen dahinter zu interessieren schienen, gab ich es fast
auf. Ganz aufgegeben habe ich es, als man mir einen Satz entgegenbrachte, bei dem ich zum
Moment, da ich ihn vernahm, nicht sicher war, ob ich lachen oder weinen sollte:
„Wir sind ALLE depressiv.“
Dem Zynismus unlängst anheim gefallen und ihn zur Gewohnheit gemacht, spielte ich mit dem
Gedanken, nachzuhaken, ob sich betreffende Person, die solch kluge Worte von sich gegeben hatte,
auch oft fragt, nicht ob, sondern wie sie sich am besten umbringe und das phasenweise täglich. Ob
sie denn auch jahrelang schon Psychopharmaka einnehmen müsse. Ob sie sich tagtäglich fragte, wie
viel Wert und Sinn das eigene Leben noch hat, ob sie zu gewalttätigen Gedanken und Träumen
neige. Ob sie sich überhaupt im Klaren darüber sei, was sie da eben gesagt habe. Ich beließ es bei
einem stummen Nicken und schaltete meinen Geist vorübergehend ab.
Die Gespräche habe ich weitestgehend verdrängt. Ich erinnere mich an kein einziges danach mehr
wirklich. Nur an diesen einen Satz. Der Gipfel der Unsinnigkeit, wie es mir erschien. Nun sind wir
also alle depressiv. Dann hätte ich mich schämen müssen. Wahrlich. Für jeden negativen Gedanken,
für jedes Mal, da ich kaum schlafen konnte, weil die Gedanken entweder nicht abbrachen, oder,
weil mein Körper sich auf jede nur erdenkliche Weise dagegen zu wehren suchte, an einen Ort zu
gehen, an dem man nicht so angenommen wird, wie man ist. Ich gebe zu, schon immer etwas aus
der Reihe getanzt zu haben, aber nicht jeder Fisch schwimmt mit dem Strom. Die toten tun es in der
Regel.
Es wurde immer schlimmer. Natürlich litt meine nächste Umwelt darunter. Zuhause wurde
unentwegt dieselbe Frage gestellt. „Was ist denn nur los mit dir?!“ Und ich war es bald müde, zu
erklären, was nun los sei. Oftmals war ich versucht, der Person, die diese Frage stellte, einen
Wälzer oder Links des Internets um die Ohren zu klatschen, damit sie sich die Symptome und
Verhaltensweisen der Depression und eines depressiv erkrankten Menschen durchlesen könne.
Das Schlimmste an dieser Krankheit ist nicht etwa die Krankheit selbst: es ist das gesellschaftliche
Negieren der Krankheit. Depressionen kann man nicht sehen, also existieren sie für viele nicht und
die, die sie haben, sind ja alles nur Spinner. Bis diese Spinner zur Klinge greifen und sich fragen, ob
sie es tun sollen. Ode es tun. Und haben sie es getan, reagiert die Umwelt bestürzt. „Warum?“ -
„Wie konnte das passieren?“ - „Wir werden dich nie vergessen!“ - „Wir lieben dich!“ - „Du fehlst
uns!“. Traurig an all dem ist nicht die Tat selber, sondern die Ignoranz derer, die das Unglück
vielleicht hätten verhindern können. Geradezu heuchlerisch mögen diese Trauerbekundungen dann
anmuten. Wie auf einer Beerdigung eben.
Ignoranz. Sie kann töten. Oder einen an den Rand führen, in dessen Abgrund der Schnitter wartet
und sagt: „Komm hier runter, da wo du bist, m,acht es sowieso keinen Sinn mehr. Es hört dir keiner
mehr zu, dich nimmt keiner mehr ernst. Am Ende beschuldigt man und verurteilt dich dafür, dass du
krank bist.“
Ja. man bestraft jemanden für seine Krankheit. Weil man nicht sehen will. Die heutige Gesellschaft
ist eine Wegschaugesellschaft geworden, in jeder Hinsicht. Aber darauf will ich gar nicht erst
eingehen.
Nun habe ich eine sehr großen Bogen beschrieben, habe die Altenpflege verlassen und bin in die
Depression übergegangen. Bedauerlicherweise hängen diese beiden Bereiche sehr eng miteinander
zusammen, inzwischen.
Unter dem Strich scheint es also zu heißen: Altenpflege macht psychisch und physisch kaputt.
Traurige Wahrheit.
Versucht man sich zu erklären, wird man nicht für voll genommen.
Verbirgt man und handelt aus Verzweiflung, bleibt am Leben, wird man bestraft.
Verbirgt man und handelt aus Verzweiflung, stirbt, wird man beweint.
Die Pflege soll ein sozialer Beruf sein.
Ich bedauere an dieser Stelle sagen zu müssen, nach drei Jahren in diesem Beruf:
Nein. Leider ist dem oftmals nicht so.
Aber wenn man keine Zeit hat, dann achtet man natürlich auch nicht auf den anderen.
Tata...
Dass ich nicht lache.
Altenpflege sollte bedeuten:
Menschlichkeit
Achtsamkeit
Empathie
Solidarität
Verständnis
Nachsicht
Und nicht:
Ausbeutung
Ignoranz
Profitgier
Rufaufbesserung um jeden Preis
Hinterlist
Bagatellisieren individueller, ernster Probleme
Ich nahm diese Ausbildung als Altenpfleger an, zunächst, weil man in diesem Berufsfeld immer eine Lehrstelle
bekommt und ebenso auch immer eine Anstellung. Das sollte etwas Positives sein. Aber wenn man
erlebt, wie es oftmals zugeht, ist es kein Wunder, woher die Vorstellung der meisten kommt: den
Job will ja keiner machen. Berufsinternen, die sich nicht hinter der Fassade von „Alles ist prima
vorn herum, aber hinten herum meckern und jammern wir nur“ verstecken, wissen, wovon ich
spreche. Es sollte zu denken geben, wenn Personen aus Führungspositionen die Flinte ins Korn
werfen, Heime verlassen oder den Job ganz aufgeben.
Ursprünglich wollte ich etwas ganz anderes machen und werden. Ich wollte zum Theater gehen,
Schauspieler werden oder Maskenbildner, etwas Kreatives machen, da ich ein kreativer Freigeist
bin. Ein künstlerischer Rebell und ein Rebell in jeder Hinsicht, der sich nicht einfach in stupide, alt
eingesessene, verstaubte Normen zwängen lässt, ohne dagegen früher oder später aufzubegehren,
weil ich mich sonst in der Leere, wie sie sich in vielen Köpfen ausgebreitet zu haben scheint,
verliere und dies im Zusammenhang mit einem langwierigen psychischen Leiden tödlich enden
könnte.
Ich habe diesen Job angenommen, anfangs, weil es keine andere Möglichkeit gab, weil die
Berufssparte, die ich ursprünglich angestrebt habe, für mich blockiert gewesen war. Etwas
missmutig stieg ich also in die Pflege ein. Nach kurzer Zeit merkte ich, dass der Beruf Freude
bereitet, weil man anderen helfen kann und erlebt, wie dankbar diese Personen dafür sind.
Diese Episode temporären Glücks und vermeintlicher Findung eines Sinns ging sehr schnell vorbei.
Routine ist gut. Beim Autofahren. Um bestimmte Handgriffe sicher zu beherrschen. Aber Routine
ist schlecht, wenn man zur Maschine mutieren soll. Wenn man, statt Menschlichkeit, nur Leistung
zu zeigen hat. Arbeiten, arbeiten, arbeiten, Zeit für Gespräche? Nein. Im schlimmsten Fall wird man
noch kritisiert, dass man sich zu viel Zeit mit einem Bewohner lässt. Einem Individuum, das auf
Hilfe angewiesen ist, das über den Tag verteilt, während wir uns körperlich und geistig kaputt
schuften, herum sitzt, stillsitzen soll und von Mahlzeit zu Mahlzeit lebt. Angebote gibt es, die einen
alten Menschen durchaus beschäftigten können. Aber auch diese sind nur begrenzt verfügbar.
Eine meiner prägendsten Erfahrungen hatte ich Anfang des dritten Lehrjahres, als eine Bewohnerin
auf mich zukam. Sie saß im Rollstuhl. Tränenüberströmt fuhr sie auf mich zu und breitete ihre Arme
aus, mit den Worten: „Ich will endlich sterben!“. Natürlich empfand ich Mitleid und nahm sie in die
Arme. Nicht einmal eine halbe Minute später rief eine Kollegin nach mir:
„Was machst du da, komm, wir haben keine Zeit dafür!“
Ich glaubte nicht recht zu hören und wurde wütend. Ist nicht DAS die Quintessenz der Altenpflege?
Soll nicht DAS das Leitbild verkörpern, wie es in jedem Heim so groß angeschrieben steht?
Menschlichkeit, Einfühlsamkeit, Trost in Situationen wie dieser? Wir haben keine Zeit für so etwas.
Nach und nach stellte sich bei mir ein altes Leiden wieder ein. Niemals losgekommen bin ich von
meinen Depressionen. Mal sind sie stärker, mal sind sie schwächer vertreten. Mal grenzen die
Gedanken an den Suizid, mal komme ich phasenweise ganz ohne Tabletten aus. Aber es ist ein
stetes Schwanken, ein Balancieren auf einem schmalen Grat. Und wenn sich ein Loch doch wieder
auftut, dann ist es schwer, wieder heraus zu klettern. Wohl dem, der eine helfende Hand dann hat
und Verständnis und Fürsorge entgegen bekommt. Das kann ich von vielleicht einer Hand voll
Personen behaupten. Der Rest gab Floskeln von sich, wie es auf Beerdigungen oft der Fall ist, wenn
fremde Menschen, die den Verstorbenen platonisch gekannt haben, aus reiner Höflichkeit ihr
Beileid aussprechen. Man sagt es, weil es sich eben so gehört, aber sich hineinversetzen und
wirklich wissen wie es ist, das tut kaum eine dieser Personen.
So erging es mir oft genug. Ich wurde zu obligatorischen Gesprächen geladen, bei denen man sich
unter gut inszeniertem, sorgenvollen Gesicht erkundigte, was denn nur mit mir los sei. In den ersten
Gesprächen noch war ich bemüht, möglichst konkret anzugeben, was denn „bloß los“ sei. Nachdem
ich wiederholt feststellte, dass es in die Köpfe mancher Personen einfach nicht gehen will, dass eine
Depression etwas Ernsthaftes ist und dass diese sich im Grunde nur für die zu erbringende Leistung
der „Maschine“ und weniger für den Menschen dahinter zu interessieren schienen, gab ich es fast
auf. Ganz aufgegeben habe ich es, als man mir einen Satz entgegenbrachte, bei dem ich zum
Moment, da ich ihn vernahm, nicht sicher war, ob ich lachen oder weinen sollte:
„Wir sind ALLE depressiv.“
Dem Zynismus unlängst anheim gefallen und ihn zur Gewohnheit gemacht, spielte ich mit dem
Gedanken, nachzuhaken, ob sich betreffende Person, die solch kluge Worte von sich gegeben hatte,
auch oft fragt, nicht ob, sondern wie sie sich am besten umbringe und das phasenweise täglich. Ob
sie denn auch jahrelang schon Psychopharmaka einnehmen müsse. Ob sie sich tagtäglich fragte, wie
viel Wert und Sinn das eigene Leben noch hat, ob sie zu gewalttätigen Gedanken und Träumen
neige. Ob sie sich überhaupt im Klaren darüber sei, was sie da eben gesagt habe. Ich beließ es bei
einem stummen Nicken und schaltete meinen Geist vorübergehend ab.
Die Gespräche habe ich weitestgehend verdrängt. Ich erinnere mich an kein einziges danach mehr
wirklich. Nur an diesen einen Satz. Der Gipfel der Unsinnigkeit, wie es mir erschien. Nun sind wir
also alle depressiv. Dann hätte ich mich schämen müssen. Wahrlich. Für jeden negativen Gedanken,
für jedes Mal, da ich kaum schlafen konnte, weil die Gedanken entweder nicht abbrachen, oder,
weil mein Körper sich auf jede nur erdenkliche Weise dagegen zu wehren suchte, an einen Ort zu
gehen, an dem man nicht so angenommen wird, wie man ist. Ich gebe zu, schon immer etwas aus
der Reihe getanzt zu haben, aber nicht jeder Fisch schwimmt mit dem Strom. Die toten tun es in der
Regel.
Es wurde immer schlimmer. Natürlich litt meine nächste Umwelt darunter. Zuhause wurde
unentwegt dieselbe Frage gestellt. „Was ist denn nur los mit dir?!“ Und ich war es bald müde, zu
erklären, was nun los sei. Oftmals war ich versucht, der Person, die diese Frage stellte, einen
Wälzer oder Links des Internets um die Ohren zu klatschen, damit sie sich die Symptome und
Verhaltensweisen der Depression und eines depressiv erkrankten Menschen durchlesen könne.
Das Schlimmste an dieser Krankheit ist nicht etwa die Krankheit selbst: es ist das gesellschaftliche
Negieren der Krankheit. Depressionen kann man nicht sehen, also existieren sie für viele nicht und
die, die sie haben, sind ja alles nur Spinner. Bis diese Spinner zur Klinge greifen und sich fragen, ob
sie es tun sollen. Ode es tun. Und haben sie es getan, reagiert die Umwelt bestürzt. „Warum?“ -
„Wie konnte das passieren?“ - „Wir werden dich nie vergessen!“ - „Wir lieben dich!“ - „Du fehlst
uns!“. Traurig an all dem ist nicht die Tat selber, sondern die Ignoranz derer, die das Unglück
vielleicht hätten verhindern können. Geradezu heuchlerisch mögen diese Trauerbekundungen dann
anmuten. Wie auf einer Beerdigung eben.
Ignoranz. Sie kann töten. Oder einen an den Rand führen, in dessen Abgrund der Schnitter wartet
und sagt: „Komm hier runter, da wo du bist, m,acht es sowieso keinen Sinn mehr. Es hört dir keiner
mehr zu, dich nimmt keiner mehr ernst. Am Ende beschuldigt man und verurteilt dich dafür, dass du
krank bist.“
Ja. man bestraft jemanden für seine Krankheit. Weil man nicht sehen will. Die heutige Gesellschaft
ist eine Wegschaugesellschaft geworden, in jeder Hinsicht. Aber darauf will ich gar nicht erst
eingehen.
Nun habe ich eine sehr großen Bogen beschrieben, habe die Altenpflege verlassen und bin in die
Depression übergegangen. Bedauerlicherweise hängen diese beiden Bereiche sehr eng miteinander
zusammen, inzwischen.
Unter dem Strich scheint es also zu heißen: Altenpflege macht psychisch und physisch kaputt.
Traurige Wahrheit.
Versucht man sich zu erklären, wird man nicht für voll genommen.
Verbirgt man und handelt aus Verzweiflung, bleibt am Leben, wird man bestraft.
Verbirgt man und handelt aus Verzweiflung, stirbt, wird man beweint.
Die Pflege soll ein sozialer Beruf sein.
Ich bedauere an dieser Stelle sagen zu müssen, nach drei Jahren in diesem Beruf:
Nein. Leider ist dem oftmals nicht so.
Aber wenn man keine Zeit hat, dann achtet man natürlich auch nicht auf den anderen.
Tata...
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